YAMA

YAMA / Der Mythos , eine Reise nach innen / Ein Zwiegespräch mit dem Tod

Die Eingangsszene ist zeitlos und kann sich jederzeit und überall auf dieser Welt abspielen.

Nachiketas Vater ist so etwas wie eine „Wahre Säule“ der Gemeinschaft. Er verfügt über beträchtliche Besitztümer und genießt einen hohen Staus, und jedermann blickt auf zu ihm, wahrscheinlich nicht ohne Anflug von Neid. Die Geschichte beginnt damit, dass er gerade beschlossen hat, für eine würdige Sache – den Tempelbaufonds – eine großzügige Spende aufzubringen. Und eine vertraute leise Stimme scheint ihm zugeflüstert zu haben: „Hättest du nicht gerne deinen Namen auf dem Grundstein des Tempels verewigt?? Und so verkündet Nachiketas Vater großartig, dass er seinen gesamten Besitz frür diesen edlen Zweck verschenken werde – einschließlich einer großen Herde Kühe, die im alten Indien ein gesetzliches Zahlungsmittel waren. Und alle sind beeindruckt.

Das heißt alle, außer Nachiketa. Papa, wendet er flüstern, aber deutlich hörbar ein: Was meinst Du denn damit? Du verschenkst da doch nicht deinen gesamten Besitz? Du verschenkst doch lediglich einen Haufen Kühe, von denen die meisten es nicht mehr lange machen. Wer wird dich denn für so ein Geschenk loben. Nachiketas Vater ist gekränkt und peinlich berührt; er tut so, als höre er nichts. Aber Nachiketa provoziert seinen Vater weiter, bis dieser herausplatzt: „Dem Tod werde ich dich schenken“.

Die Worte sind nur eine verbale Zornesäußerung, ähnlich unserer modernen Entsprechung „Der Schlag soll dich treffen“. Die augenblickliche Antwort und der daraus weiterverfolgten Fragestellung, was es denn eigentlich bedeutet zu sterben, lassen Nachiketa nicht mehr zur Ruhe kommen. Die oberflächliche Lebensart wird ihn nicht mehr befriedigen. Er muss wissen, ob das Leben, sein Leben ein Ziel, einen Zweck hat, und er muss es von dem kundigsten Lehrer erfahren, den er finden kann.. „Ich werde zum Tod gehen“, beschließt er: „aber nicht so, wie andere gehen, die niemals zurückkommen. Ich werde zum Tod gehen, um den Sinn des Lebens zu erfahren“.

So wird der Tod als YAMA, der Zügellenker Personifiziert, denn er ist es, der das zentrale Gesetz der Erscheinungswelt handhabt und vollstreckt.

Nachiketa zieht jetzt von daheim aus, um seinen persönlichen Lebensinhalt zu finden. Der Unterschied freilich besteht darin, dass es keine äußere Reise ist; denn sie findet durchweg im inneren statt. Das ist ein langes, mühsames und außerordentlich herausforderndes Unterfangen. Das ist keine Arbeit von ein paar Tagen, sondern eine von vielen Jahren. Aber Nachiketa besitzt eine fast beispiellose Zielstrebigkeit. Sobald er sich zur Meditation hinsetzt und die Augen schließt, sinkt er in die tiefsten Tiefen des Bewusstseins. Hier wird der Reinkarnationstheorie zufolge, die Todes-Erfahrung im Unterbewusstsein immer wieder überschrieben. Das ist das Land des Todes und Unsterblichkeit, zwischen der vergänglichen individuellen Persönlichkeit und dem unvergänglichen Selbst.

Ironischerweise ist der König aber nicht zu Hause. Seine Diener – die Seuche, der Krieg, die Hungersnot, die Depression und so fort – sind fassungslos. Denn niemand, soweit sie sich erinnern können, ist jemals gekommen um den Tod aufzusuchen. Die Depression stammelt verlegen: „Er ist außer Haus“ Der Tod ist ein viel beschäftigter Mann. Er kann nicht einfach daheim bleiben und lesen. Seine Zeit und seine Energie sind bis aufs Äußerste beansprucht: Er muss da und dort immer zur Stelle sein, Verabredungen einhalten. „Er kommt fast gar nicht mehr nach Hause, beklagt der Krieg; „er ruft lediglich wegen etwaiger Nachrichten an. „Er ist eine echte Typ-A-Persönlichkeit, immer auf Trab“.

Aber dieser selbstbeherrschte Teenager ist nicht jemand, der sich abweisen lässt. Er setzt sich ruhig hin und sagt: “Ich werde warten – einen Tag, einen Monat, ein Jahr, wie lange es auch dauern mag“. Er wartet im Reich des Todes drei Tage und Nächte – wohlgemerkt in Meditation – ohne Essen, ohne Wasser, ohne Schlaf. Und am Ende jener drei Tage und Nächte sieht er sich von Angesicht zu Angesicht mit dem Tod selbst konfrontiert.

Yamas Handlanger beeilen sich, seine Anwesenheit zu erklären. „Er ist als Gast gekommen, und zudem aber als kein gewöhnlicher Gast. Ihn bei der Meditation zu sehen, Empfange ihn gastfreundlich, o König. Ein Gast ist geheiligt, und dieser Junge ist mit einer bestimmten Absicht gekommen, um derentwillen er sich nicht wird besiegen lasse.

Der Tod ist gesellschaftliche Annehmlichkeiten nicht gewohnt, aber Nachiketa hat bereits sein Interesse erregt. Er besitzt den Wagemut, den nur einer von einer Million Menschen hat. Dann spricht er laut: „Junger Mann, ich bin ein schlechter Gastgeber gewesen. Lass mich dir bitte drei Gunstgaben gewähren, als Wiedergutmachung für die drei Tage und Nächte, die ich dich in diesem ungastlichen Reich habe warten lassen“.

Die erste Gunstgabe, die Nachiketa erbittet ist

Vergebung

Überraschenderweise nicht für sich selbst, sondern für seinen Vater. „O König, lasse das Herz meines Vaters frei sein von Zorn. Möge er, wenn ich zurückkehre aus diesem Land, sich genau so freuen, mich zu sehen, wie er dies tat, als ich geboren wurde.

Diese Gabe birgt eine große Weisheit in sich. Ohne ein alles verzeihendes Mitgefühl in unserem Herzen können sich die Tore zum tiefsten Bewusstsein nie öffnen. Ganz gleich, wer uns Unrecht angetan hat – es sollte keine Verbitterung in unserem Herzen sein, wenn wir Auge in Auge mit dem Tod konfrontiert werden.

Die zweite Gunstgabe,

das Lebensfeuer

Er habe von den Weisen erfahren, sagt Nachiketa, dass es ein Reich gibt, einen Bewusstseinszustand, in dem man von den verheerenden Auswirkungen des Alters gänzlich unbehelligt bleibt und mit immerwährender Lebenskraft lebt. Sie sagen, dass du ein Feueropfer kennst, dass zu diesem Bereich führt. Dieses Opfer ist kein äußeres Ritual. Das Feuer auf das Nachiketa sich bezieht, ist das Lebensfeuer selbst, das im Sanskrit Prana heißt. Prana ist viel fundamentaler als jede Vitalfunktion, und er ist nicht physisch-stofflich. Wenn er vorhanden ist, kann das Herz schlagen, die Lunge atmen, das Gehirn Signale interpretieren und Entscheidungen in die Tat umsetzen. Inneres Feuer wird durch Wille und unseren selbstsüchtigen Leidenschaften und Begierden verursacht. Wenn man Leidenschaften unter die Kontrolle des Willens stellt, steht uns eine gewaltige Lebenskraft zur Verfügung, die man als Kundalini bezeichnet.

YAMA ist beeindruckt , lässt sich dies aber kaum anmerken. Mit gespielter Leichtigkeit wartet er darauf, den Abschlusstest vorzunehmen

Die dritte Gunstgabe,

Unsterblichkeit

Ich wünsche mir das Geheimnis von Leben und Tod, sagt er, ohne herumzureden, und ich bin direkt zu dir gekommen, um es zu erlangen. „Nachiketa“, sagt YAMA schlau, „Du bist noch recht jung. Viele ältere und weisere Menschen haben vor die diese Frage gestellt – Philosophen, Dichter, Theologen, Wissenschaftler, und dann beginnt Yama Angebote zu machen. Reichtum, unbegrenzte Nachkommenschaft, Kühe, Elefanten , Land uvm. Das sind keine Segnungen , beginnt der Junge. Ich habe Leute gesehen, die zeit ihres Lebens immer nur nach Vergnügen oder Macht strebten, sie können nirgendwo Befriedigung finden, auch wenn sie 10000 Jahre alt werden.

Yama ist sehr beeindruckt von Nachiketa und beginnt mit der Unterweisung. ………………..

Die Essenz der Upanischaden / Was passiert wenn ich sterbe                    Eknath Easwaran